Wir demokratisieren die Welt
20.06.2010: Ist die Verbreitung der universellen Menschenrechte legitim?
Kann ein Text von 1948, der Rechte der Menschen gegenüber dem Staat formuliert, heute noch gelten, wenn er doch zu einer Zeit verfasst wurde, in der die Frauenrechtsbewegung, Martin Luther King und die Entkolonialisierung noch bevorstanden? Kann es rechtmäßig sein, dass ein solcher Text heute herangezogen wird, um Staaten und Regierungen zu bewerten und gegebenenfalls sogar als Rechtfertigung für einen militärischen Eingriff dienen?
Der Vorwurf steht im Raum, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und damit die Grundlage des internationalen Menschenrechtsregime, als ein von weißen Männern verfasster Text ein rein westliches Konstrukt ist. Auch die Unterstellung, dass sie nur deshalb noch heute so hoch gehalten wird, weil es der westlichen Welt zur Etablierung eines allgemeinen Kulturimperialismus und als Rechtfertigung von Handelsinteressen weltweit dient, ist mit Blick auf den Entstehungszeitpunkt nicht direkt von der Hand zu weisen.
Doch was macht eigentlich die Menschenrechte aus? Erstmals wurden die Menschenrechte in der Charta der Vereinten Nationen (VN) von 1945 genannt. Artikel 1 formuliert als eines ihrer Ziele, „die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“. Schon zur Gründung der VN wurden mehrere Textentwürfe zur Ausformulierung der Menschenrechte zum Beispiel von der Delegation aus Panama und der aus Kuba vorgelegt. Durch diese Anstöße wurde eine Kommission mit RepräsentantInnen aus 18 Staaten gegründet u. a. war die Vorsitzende eine Frau, ihr Stellvertreter ein chinesischer Diplomat und der Berichterstatter ein Libanese. Sie formulierten die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der Generalversammlung der VN beschlossen wurde.
Das internationale Regime der Menschenrechte besteht zudem aus dem Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, sowie dem Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte von 1966 (1976). Viel entscheidender sind jedoch die regionalen Menschenrechtsabkommen, wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Afrikanische Menschenrechtscharta oder die Arabische Menschenrechtscharta. Diese regionalen Abkommen haben als Grundlage die AEMR, es werden jedoch unterschiedliche Prioritäten gesetzt. Die Afrikanische Menschenrechtscharta z. B. stellt die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte in den Vordergrund, während es in der EMRK die politischen Rechte sind.
Immer wieder wird bei der Kritik an Staaten, die sich nicht den westlichen Handlungsweisen beugen, wie zum Beispiel China und Kuba, vorangestellt, dass sie die Menschenrechte nicht achten. Die Menschenrechte wurden als Rechtfertigung für den Einmarsch in Afghanistan herangezogen und dienen vor allem westlichen Regierungen immer wieder als Druckmittel gegenüber anderen Staaten. Die Nutzung als Mittel der Demokratisierung und moralischer Zeigefinger entspricht jedoch nicht dem eigentlichen Sinn und Zweck der Menschenrechte, denn sie formulieren Rechte aller Menschen gegenüber dem Staat.
Die Legitimation der Menschenrechte kommt nicht daher, dass sie von einer Gruppe von Staaten direkt im Anschluss an den zweiten Weltkrieg formuliert wurde, sondern lässt sich darauf zurück führen, dass sie erstmals global Ansprüche und Rechte der Menschen gegenüber der Obrigkeit formulierte. Dem Wortlaut nach spiegelte die AEMR kaum die herrschende Gesellschaftsordnung der Zeit wider in der sie formulierte wurde. Sie ist sogar so weitgehend, dass sie Freiheiten formuliert, die bis heute kein Staat in der Lage ist, voll und ganz zu erfüllen.
Die Menschenrechte legitimiert jedoch nicht der Beschluss der Staaten, sondern vielmehr, dass sie von Minderheiten, Individuen und Gruppen weltweit herangezogen wird, um auf die Beschränkungen ihrer Freiheit aufmerksam zu machen und eine Rechtsgrundlage zu haben, auf die sie sich berufen können. Mit den Menschenrechten im Rücken wurde Gleichberechtigung erstritten und Rassendiskriminierung bekämpft. Nach wie vor sind viele der vor über 70 Jahren formulierten Rechte auch in den westlichen Staaten nicht umgesetzt. Die Menschenrechte sind daher nicht nur Rechte, die lediglich den westlichen Werten entsprechen, sondern erfüllen ihren Zweck, den Menschen überall auf der Welt im Kampf für ihre Freiheit gegenüber dem Staat zu dienen.
ValerieSchult ist dafür
Sehr gut!